[d.i. Christine Spindler]
erschienen in Krimi-Tipp Primärliteratur # 126, Februar 2018
© Thomas Przybilka, Bonner Krimi Archiv Sekundärliteratur – BoKAS
Thomas Przybilka: Was bedeutet Kriminalliteratur für Sie und ist, Ihrer Meinung nach, Kriminalliteratur eine wichtige Literaturgattung?
Kris B.: Kriminalliteratur war, neben den Kinderbuchklassikern, eine der ersten Literaturgattungen, mit der ich in Berührung kam. Ich habe in meiner Jugend die Bücher von Agatha Christie verschlungen. Meine nächste „Entdeckung“ war Dorothy L. Sayers. Spannend war für mich dabei nie so sehr die Frage: „Wer war der Täter?“ Mich faszinierten die handelnden Personen und ihre Schicksale. Genau bei diesem Aspekt hat die Kriminalliteratur eine Menge zu bieten, da sie Angst, Gier, Verzweiflung und viele andere Facetten des menschlichen Gefühlsspektrums ins Spiel bringen kann. Ich glaube, kein anderes Genre hat eine solche emotionale Bandbreite, was auch erklärt, warum es so viele Untergattungen gibt, vom Regionalkrimi bis zum Wissenschaftsthriller.
TP: Ihr Weg zur Kriminalautorin / zum Kriminalautor?
KB.: Das ist eine interessante Frage, über die ich so noch nie nachgedacht habe. Ich weiß natürlich, warum ich zu schreiben angefangen habe. Aber wieso war das erste Buch ein Kriminalroman? Rückblickend habe ich folgendes festgestellt: Ich habe nicht damit begonnen, dass ich beschloss, Schriftstellerin zu werden, und mir dann überlegt, welches Genre zu mir passen würde. Es war genau umgekehrt. Ich wollte leidenschaftlich gern eine Krimireihe schreiben, habe aus diesem Grund meinen Job in einem Übersetzungsbüro gekündigt und beschlossen, mein Glück als Schriftstellerin zu versuchen. Wie gut, dass ich damals keine Ahnung hatte, wie schwer es ist, vom Schreiben zu leben, sonst wäre ich das Wagnis möglicherweise nicht eingegangen. Dass ich es geschafft habe, meinen Traum wahrzumachen, verdanke ich meiner Familie und vielen Freunden, die mich unterstützt haben, wo sie nur konnten. Das war vor allem dann nötig, wenn ich wieder mal kurz davor stand, das Handtuch zu werfen und mir einen „ordentlichen Job“ zu suchen.
TP: Ihre erste Krimi-Veröffentlichung?
KB.: Meinen ersten Krimi habe ich auf Englisch geschrieben. Er erschien 1999 in den USA bei Avid Press. Titel: „The Rhythm of Revenge“. Ich hatte zwei Jahre gebraucht, um ihn zu schreiben, und zwei weitere Jahre, um einen Verlag dafür zu finden. Das gelang mir erst, als ich einen Internetanschluss bekam. Danach lief alles wesentlich flotter. Trotzdem hätte ich es nie für möglich gehalten, dass knapp zwei Jahrzehnte später mehr als 50 eigene Bücher in meinem Regal stehen würden.
TP: Wurden Sie vom Werk einer Krimiautorin / eines Krimiautoren beeinflusst?
KB.: Als ich mit dem Schreiben anfing, waren meine Lieblinge Lord Peter Wimsey (Dorothy L. Sayers), Inspektor Jury (Martha Grimes) und Inspektor Lynley (Elisabeth George). Also drei Serien mit sympathischen männlichen Hauptfiguren.
TP: Gibt es den „Frauenkrimi“?
KB.: Ich vermute, dass Frauen mehr an menschlichen Verwicklungen interessiert sind und nicht so viel Wert auf Action legen. Aber das könnte auch ein Vorurteil sein, weil ich von mir selbst auf andere schließe.
TP: Gibt es einen Kriminalroman/Thriller, den Sie selber gerne geschrieben hätten?
KB.: Wenn ich ein großartiges Buch gelesen habe, denke ich manchmal: „Genau so würde ich gerne schreiben können“, aber nicht: „Genau dieses Buch möchte ich gerne geschrieben haben“. Jedes Buch ist ein zutiefst persönliches Werk eines Autors, beeinflusst von dessen Lebenserfahrungen, Verletzungen, Ansichten, etc. Dasselbe Buch aus meiner Feder wäre am Ende doch ein ganz anderes.
TP: Welche Autorin / welcher Autor ist Ihrer Meinung nach überschätzt?
KB.: Mir liegen die Bücher von Sebastian Fitzek nicht. Eins habe ich ganz gelesen, drei weitere habe ich mittendrin abgebrochen, denn sie wirkten auf mich verstörend. Dennoch kann ich den Hype verstehen, denn Fitzek hält großartige Lesungen. Ich habe eine davon besucht, fand seine Präsenz bemerkenswert und seine lockere Art sehr unterhaltsam.
TP: Welche Autorin / welcher Autor ist Ihrer Meinung nach unterschätzt?
KB.: Ich habe alles von Harlan Coben gelesen. Ein wunderbarer Erzähler, der mich mit jedem Buch komplett mitreißt. Ich glaube, dass er in Deutschland nicht annähernd so bekannt ist wie in den USA.
Alle Kriminalromane von Christine Spindler:
Als Kris B.
London Crimes-Reihe
--- 2017, Näher als du ahnst. Ricks erster Fall
--- 2017, Schlimmer als dein Tod. Ricks zweiter Fall
--- 2017, Dunkler noch als Schatten. Ricks dritter Fall
--- 2017, Tödlicher als Hass. Ricks vierter Fall
Kinderkrimis:
Als Tina Zang
--- 2005, Panic on the Set – Panik am Set
--- 2005, Trapped – in der Falle (zus. mit Herbert Friedmann)
--- 2005, The Mystery of the Stray Dog – Das Rätsel um den Streuner
--- 2007, Der Karatehamster legt los
--- 2008, Lord of the Bets – Herr der Wetten
--- 2008, Der Karatehamster startet durch
--- 2008, Der Karatehamster ist nicht zu bremsen
--- 2009, Der Karatehamster hebt ab
--- 2009, Der Karatehamster fackelt nicht lange
--- 2010, Der Karatehamster taucht ab
--- 2017, Der Karatehamster sattelt um
Englische Kriminalromane
--- 1999, The Rhythm of Revenge (Im Rhythmus der Rache, 2001)
--- 2000, Faces of Fear
Als Chris Spindler (zusammen mit Karen Wiesner)
Falcon’s Bend Mysteries
--- 2012, Degrees of Separation
--- 2012, The Fifteenth Letter
--- 2012, Falcon’s Bend Case Files Volume I
--- 2013, Tears on Stone
--- 2013, Romantic Notions
--- 2013, Falcon’s Bend Case Files Volume II
--- 2014, As Patient as Death
--- 2015, Pretty Fly
--- 2018, Falcon’s Bend Case Files Volume III